Vom Kasernenhof zum Wohnpark - Wohnen in Ludwigsburg

Wie aus einem ehemaligen Kasernenareal ein modernes Wohngebiet entstehen kann, haben die Teilnehmenden der DVW-Veranstaltung am 14.10.2019 erfahren. Ein Rundgang durch das Gelände rundete die Exkursion ab. Bericht

Bezirksgruppe Stuttgart – Umwandlung eines Kasernenareals in ein Wohngebiet
(14.10.2019)

Exakt ein Dutzend Interessierter kam am 14. Oktober 2019 zur Führung durch das neue Baugebiet Hartenecker Höhe in Ludwigsburg-Oßweil. Das Baugebiet umfasst das Gebiet der ehemaligen Flakkaserne. Die Kaserne wurde Mitte der 1930er-Jahre gebaut, war nach dem 2. Weltkrieg ungenutzt und wurde im Jahr 1950 von der US-Army übernommen. Nach deren Abzug 1991 lag das Gelände einige Zeit brach, bis die Stadt Ludwigsburg es von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) erwerben konnte.

Für die städtebauliche Planung wurde innerhalb der Stadtverwaltung eine eigene Projektgruppe eingerichtet, deren Mitarbeiter von sonstigen Aufgaben freigestellt wurden. Die finanzielle Abwicklung erfolgte außerhalb des städtischen Haushalts.

Ulrich Seiler, Mitarbeiter im Fachbereich Stadtplanung und Vermessung der Stadtverwaltung Ludwigsburg, war maßgeblich an der Planung des neuen Wohngebiets beteiligt. Er stellte den Besuchern die der Planung zu Grunde liegenden Ideen und deren Umsetzung bei einem knapp 2-stündigen Rundgang vor.

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Ulrich Seiler (ganz rechts) erläutert die heutige Gestaltung des früheren Eingangsbereichs der Kaserne. Im Hintergrund das alte Wachtgebäude.

Am Anfang der Arbeiten stand der Abbruch fast aller Kasernengebäude. Dafür war eine umfangreiche Abstimmung mit den Denkmalschutzbehörden erforderlich, die zunächst einen Erhalt der gesamten Bebauung als sog. Sachgesamtheit bevorzugten. Da nicht genau bekannt war, welche Altlasten, insbesondere Öltanks, im Erdreich vergraben waren, waren teilweise bis zu 5 Meter tiefe Gruben erforderlich. Innerhalb der Kaserne befand sich ein wertvoller Baumbestand von 600 großen alten Bäumen. Ihr kompletter Erhalt hätte einer sinnvollen neuen Wohnbebauung im Wege gestanden, jedoch wurde die Hälfte der Bäume in die neuen Planungen miteinbezogen.

Als alleinige Eigentümerin konnte die Stadt den Bebauungsplan komplett nach ihren eigenen Vorstellungen entwickeln.

Drei Bestandsgebäude wurden denkmalgerecht saniert. Die Stadt hat in die frühere Turnhalle eine große Kindertageseinrichtung gebaut. Entgegen erster Überlegungen wurden in dem repräsentativen Offizierskasino keine öffentlichen Nutzungen realisiert. Das Wachtgebäude hat ein örtlicher Bäcker umgebaut. Sein vielbesuchtes Bäckereicafé ist ein wichtiger Treffpunkt für das Baugebiet.

Im äußeren Bereich des Wohngebiets stehen überwiegend Reihenhäuser, Doppelhäuser und einige freistehende Einfamilienhäuser, im inneren Bereich wurden Mehrfamilienhäuser errichtet. Eine Intention war auch, die vorhandenen Straßen, Baumreihen und Grünflächen innerhalb des Kasernenbereichs soweit möglich in den Grundriss der Hartenecker Höhe einzubinden. Auf dem 18 ha großen Gelände entstanden so insgesamt 800 Wohnungen.

Erschlossen wird das Wohngebiet durch zwei in Ost-West-Richtung verlaufende Tempo-30-Straßen. Die durchgehende Hauptachse mit einem Platz als zentralen Treffpunkt ist mit Kfz nicht befahrbar. Durch diese Straßenführung ist das Wohngebiet für den Durchgangsverkehr somit unattraktiv.

Verblüfft waren die Teilnehmer über komplett öffentliche Grünanlagen, die zusammen ca. 48 Ar groß sind. Auf dem Gelände der brachliegenden Flakkaserne waren über 40 Brutvogelarten heimisch. Mit den im Bebauungsplan festgesetzten „Baumschutzgebieten“ entsprach die Stadt artenschutzrechtlichen Auflagen bei der Erschließung des Baugebiets.

Die Vergabe der Grundstücke zur Errichtung der Mehrfamilienhäuser erfolgte einzeln. Ein interessierter Bauträger musste bereits bei seiner Bewerbung einen Hochbauentwurf im Maßstab 1:200 mit einreichen. Über den Verkauf konnte die Stadt somit unmittelbar auf die Umsetzung des Bebauungsplans und die konkrete Gestaltung der Bebauung einwirken. Die Vergabe erfolgte jedoch nicht nur an Baufirmen sondern auch an Baugruppen, bei denen sich private Bauherren zusammenschließen und den Erwerb des Grundstücks und die Beauftragung des Architekten und der Gewerke selbst organisieren.

Alle Architekten waren an konkrete, hauptsächlich gestalterische Vorgaben gebunden. Einige Beispiele:

  • Die Häuser sind maximal 3-, im Einzelfall 4-geschossig. Aus heutiger Sicht erscheint das eher niedrig. Ulrich Seiler war der Meinung, dass bei einer jetzigen Planung vermutlich höher gebaut werden würde.
  • Die Erdgeschossfußbodenhöhe muss 60 cm – 70 cm über dem Straßenniveau liegen.
  • Die dadurch notwendigen Umfassungsmauern müssen einheitlich gestaltet werden.
  • Alle Häuser müssen ein Flachdach oder ein ganz leicht geneigtes Walmdach haben.
  • Alle Dächer müssen als besonderes gestalterisches Merkmal überstehend sein.
  • Für 2/3 der Gebäude besteht Anschlusszwang an das städtische Fernwärmenetz, das für das Wohngebiet erweitert wurde. Für Einfamilienhäuser sind auch andere Heizarten möglich, jedoch keine Heizung mit Erdgas.

Sämtliche erforderlichen Vermessungsarbeiten wurden vom Fachbereich Stadtplanung und Vermessung als interne Dienstleistung selbst durchgeführt. Mitarbeiter Thomas Fleischer stellte sie kurz vor: Am Anfang stand eine Lage- und Höhenaufnahme des Kasernengeländes mit Erfassung aller Kasernengebäude und der Häuser in den umliegenden Straßen. Daraus wurde ein 3-D-Modell erstellt. Zudem wurde der vorhandene Baumbestand exakt erfasst. Auch alle Arbeiten zur Freimachung des Geländes, d. h. der Abriss bzw. der Rückbau von Gebäuden und die dabei zum Vorschein kommenden Versorgungsleitungen wurden genau verzeichnet. Während den Erschließungsarbeiten und Neubaumaßnahmen erstellte die Stadt ein Kanalkataster. Durch die Einnahmen für die abschließende Gebäudeaufnahme für das Liegenschaftskataster von 90% der Neubauten konnte die Stadtverwaltung einen nicht unerheblichen Teil der Planungskosten amortisieren.

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Die Hartenecker Höhe umfasst den Bereich zwischen der Comburgstraße im Westen, der Walter-Flex-Straße im Süden und der Neckarweihinger Straße im Osten. Nördlich schließt sich Feldlage an.

(Quelle: https://logis2.ludwigsburg.de/tbview2/index.php?)

„Kommunikatives“ Zentrum des Wohngebiets ist ein 45m x 55m großer Platz in der Cäsar-von-Hofacker-Anlage (siehe Plan). Der Platz hat abgesehen von einigen nicht fixierten Gartenstühlen (die bereits einem erheblichen Schwund unterliegen) keine Möblierung. Der Platz wird von Bewohnern aller Altersgruppen als Treffpunkt genutzt. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei schönem Wetter in den Abend- und Nachtstunden „Diskussionen“ zwischen Jugendlichen und unmittelbaren Anwohnern der EG-Wohnungen nicht ausbleiben.

Für die Kleineren erfreut sich ein großer Kinderspielplatz im östlichen Bereich des Wohngebiets großer Beliebtheit. Der Spielplatz hat sich zu einem Treffpunkt entwickelt und wird auch von Eltern mit Kindern aus anderen Wohngebieten besucht. Während unserer Führung wurden kurz vor 18 Uhr noch über 60 (!) Kinder, Eltern und Großeltern gezählt.

Die Bezirksgruppe Stuttgart bedankt sich hiermit noch einmal bei allen Beteiligten der Stadtverwaltung Ludwigsburg für diesen von allen Besuchern hochgelobten Einblick in Details bei der Planung und Umsetzung eines großen Baugebiets.

Kurt Kohler

Bezirksgruppe Stuttgart

Bilder: © DVW Baden-Württemberg e.V.; Stadt Ludwigsburg

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