Fachtagung 2024
Gut 100 gespannte Teilnehmerinnen und Teilnehmer fand sich zur diesjährigen Fachtagung des DVW-Baden-Württemberg e.V. im Technischen Rathaus in Mannheim ein. Markus Muhler – Vorsitzender des Landesvereins – eröffnete die Veranstaltung und begrüßte die interessierten Gäste, Grußwortredner und die Referentinnen und Referenten sowie die Vertreter der Konferenz der Geodäsiestudierenen (KonGeoS). Die Fachtagung, sowie die anschließende Mitgliederversammlung stehen in diesem Jahr ganz klar im Zeichen des 70-jährigen Jubiläums des Landesvereins. Zu diesem besonderen Anlass gratulieren auch Äffle und Pferdle, welche sich auf der diesjährigen Jubiläumstasse wiederfinden. Passend dazu findet mit der INTERGEO die größte Leitmesse im Bereich der Geodäsie, der Geoinformation und des Landmanagements in Stuttgart statt. Markus Muhler hob dabei auch heraus wichtig das ehrenamtliche Engagement im Bereich des DVW Baden-Württemberg e.V. für die Geodäsie bzw. den Berufsstand der Geodätinnen und Geodäten und stellte dabei auch noch einmal klar heraus, welche tollen Netzwerkmöglichkeiten durch den DVW gegeben sind.
Im Anschluss richteten Dieter Ziesel, Präsident des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg und Dr. Frank Friesecke, Vizepräsident des DVW e.V. Ihre Grußworte an die Zuhörenden.
Beide betonten, dass sie zu einer Fachtagung in Mannheim einen ganz persönlichen Bezug haben. Dr. Frank Friesecke wuchs in Mannheim auf, Präsident Dieter Ziesel war Vorsitzender der Bezirksgruppe Rhein-Neckar des DVW Baden-Württemberg. Ebenso hoben beide die Wichtigkeit von ehrenamtlichen Tätigkeiten im generellen, aber insbesondere beim DVW Baden-Württemberg e.V. hervor und bedankte sich für das Engagement. Ob mit Fachseminaren, bei der Nachwuchsgewinnung, der Aktionswoche Geodäsie – bei der das Ehrenamt aber auch Grenzen erreicht hat -, dem gemeinsamen Engagement für den Berufsnachwuchs, beim Runden Tisch Ausbildung oder im Bereich der Ausbildung, überall dort ist der DVW Baden-Württemberg e.V. aktiv. Beide stellten ebenso heraus, wie wichtig und unerlässlich die Arbeit von Geodätinnen und Geodäten für die Gesellschaft ist und welche vielfältigen und spannenden Aufgabenfelder hier bedient werden. Bei der „Heimspiel“-INTERGEO 2024 in Stuttgart steht dies auch im Fokus und wird einem sehr breiten Publikum präsentiert.
Zum Abschluss ihrer jeweiligen Grußworte gratulierten beide dem DVW Baden-Württemberg e.V. noch herzlich zu dessen Jubiläum und endeten mit einem kurzen Blick auf die anstehenden, interessanten Fachvorträge, welche alle auf zukunftsträchtige Themen ausgerichtet sind.
Prof. Dr. Corinna Harmening vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eröffnete die Reihe der Fachvorträge mit „Aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze im Bereich des TLS“.
Zu Beginn zeigte Harmening anschaulich auf, dass im Hinblick auf die alternde Infrastruktur – insbesondere bei Brücken oder Staudämmen – Gefahren ausgehen können. Das Versagen von Infrastrukturen deutet sich dabei bereits durch kleinste geometrische Veränderungen an. Mit Hilfe von Monitoring-Maßnahmen kann hier aber frühzeitig interveniert werden. Klassischerweise werden dabei charakterisierende, einzelne Punkte eins Objekts beobachtet. Dies birgt aber die Gefahr, dass ggf. einzelne Punkte übersehen werden und ebenso steht dahinter ein hoher Zeit- und Arbeitsaufwand.
Mit Hilfe des Terrestrischen Laserscannings (TLS) können Messobjekte im Vergleich dazu als 3D-Punktwolken erfasst werden. In der Kombination mit mehreren Standpunkten und der Transformation einzelner Datensätze in ein gemeinsames Koordinatensystem können so Messobjekte vollständig erfasst werden. Dabei sind allerdings Unsicherheitsquellen wie Messrauschen, instrumentelle Imperfektion, atmosphärische Effeke und Umgebungseinflüsse, Scan-Gemoetrie, Objekteigenschaften sowie Unsicherheiten bei der Georeferenzierung zu beachten. Dem gegenüber stehen allerdings enorme Vorteile: schnelle und kontaktlose Datenerfassung und hochaufgelöste Punkwolken (als direkter Gegenpol zu bisher etablierten punktbasierten Messverfahren).
Deformationsanalysen auf Grundlage solcher TLS-Datensätze können dabei generelle punktbasiert oder flächenbasiert durchgeführt werden. Die zugrundeliegende Wahl des Modells ist dabei vom Objekt abhängig. Für einen Pfeiler wird als Modell ein Zylinder angenommen, für eine Fassade eine Ebene. Dieser Ansatz stößt aber bei Objekten wie den Kelchstützen im neuen Stuttgarter Bahnhof an seine Grenzen, da nicht alle Flächen mit geometrischen Primitiven modellierbar sind. Entsprechend wird ein konsistentes Modell benötigt, welches auf solche Messobjekte abdeckt: die Punktwolkenmodellierung mit B-Spline-Flächen.
Dieser Ansatz stammt ursprünglich aus der Automobilindustrie, da hiermit auch komplexe Formen, die für das Desgin von Autos benötigt werden, modelliert werden können. Der komplexe Ansatz besitzt aber ebenso mächtige Eigenschaften im Hinblick auf geodätische Anwendungen. So können auch komplexe Modelle zufriedenstellend modelliert und deren stochastische Eigenschaften berücksichtigt werden. Die Repräsentation von Kanten und Ecken ist möglich, ebenso wie die Darstellbarkeit von konische Flächen. Auch können Verformungen von Flächen modelliert werden.
Zum Abschluss verdeutlichte Harmening den Ansatz der B-Spline-Flächen am Beispiel von Messungen am Urbach-Turm im Remstal.
Benjamin Sattes, Geschäftsführer der 3D Welt Vermessung GmbH, begann den Vortragsblock über „Laserscanning und mehr“ mit einem Einblick in die Entwicklung der Laserscanvermessung und der zugrundeliegenden Standards zur Detaillierung und Genauigkeit.
Unter der Überschrift „Präzision“ ging Sattes zunächst auf verschiedene Laserscanner und deren erzielbare Genauigkeiten ein. So kann z.B. mit einem Scanner der Fa. Zoller und Fröhlich (Imager 5016) auf festem Stativ eine 3D-Punktgenauigkeit von 1,4 bis 2,7mm (in Abhängigkeit des Gerätestandorts zum Objekt) erzielt werden, wogegen ein portables Gerät wie das NaVisVLX2, welches kurzzeitiger größere Flächen bearbeiten kann, nur eine 3D-Genauigkeit von 6 mm liefern kann. Jeweils laut Herstellerangabe.
Unter dem Punkt „Richtigkeit“ erläuterte er anschließend die absolute bzw. globale Punktgenauigkeit im Sinne der Fehlerfortpflanzung. Gerade in diesem Punkt ist geodätisches Wissen ein essentieller Faktor um eine entsprechende Netzplanung mit einer Ausgleichung der Messwerte unter Beachtung von Netzanalysen, stochastischen Betrachtungen und geeigneten Transformationsmodellen durchzuführen.
Gerade in diesem Zusammenhang seien viele Angebote am Markt sehr kritisch zu betrachten bzw. Anhand einer Auswertung mit einer gekapselten Herstellersoftware können maßgebliche Punkt im Zusammenhang mit „Präzision“ und „Richtigkeit“ nicht validiert oder nachvollzogen werden. Weder für Auftragnehmer noch vor Auftraggeber.
Auch fehle bei Ausschreibungen oftmals ein wichtiges Kriterium für die BIM-Fähigkeit der Daten: das LOD (Level of Development) des Modells. Dieses glieder sich weiter in LOA (Level of Accuracy), LOG (Level of Geometry) sowie LOI (Level of Information). Nur mit Hilfe dieser Angaben seit einem objektiveren Vergleich von Preis und Leistung möglich.
Sattes untermauerte seine Ausführungen zum Endes seines Vortrags mit Objektbeispielen zu unterschiedlichen Genauigkeitsanforderungen aus einer Vielzahl von Projekten wie z.B. das Schulzentrum Friedrichshafen, die Zeche Kohlebergwerk Herten, die Lokhalle München und das Schloss in Stuttgart.
Lukas Priebe von Steuernagel Ingenieure GmbH stellt in seinem Vortrag die Bestandsvermessung und die Bestandsmodellierung der ehemaligen Zentrale der Deutschen Bahn in Frankfurt am Main vor.
Das aus insgesamt 18 Geschossen und 12 Bauteilen bestehende Kulturdenkmal steh seit dem Jahr 2021 leer und soll zukünftig saniert werden. Ziel der durchgeführten Vermessungen war – so erläuterte Priebe - die Erstellung eines 3D-Revit-Modells, sowie zusätzlich 2D-Grundrisspläne. Nach einer ausführlichen Netzmessung wurde das Gebäude mit etwa 69.000 m² Grundfläche mittels drei verschiedener Laserscanner vermessen. Hierbei kamen sowohl verschiedene terrestrische Laserscanner der Firma Leica sowie der mobile Laserscanner VLX 2 der Firma NavVis zum Einsatz.
Die Einsatzbereiche der verschiedenen Laserscanner wurden dabei entsprechend ihrer unterschiedlichen Stärken ausgewählt. So wurde die Leica ScanStation P40 für die Außenfassen am 67 Meter hohen Turm eingesetzt. Große Teile des Gebäudeinneren wurden mit dem NavVis VLX 2 erfasst. Die Registrierung und Georeferenzierung der einzelnen Punktwolken erfolgte im Anschluss Leica Cyclone unter Verwendung von rund 360 tachymetrisch bestimmten Passpunkten.
Im gesamten Bauwerk wurden neben allen konstruktiven Elementen wie Fassaden, Wänden, Geschossdecken, Stützen, Unterzügen und Reppen zudem auch Heizkörper, Sprinkler und Bodentanks in Atuodesk Revit modelliert. Im Untergeschoss erfolgte zudem auch eine sehr ausführliche Modellierung aller TGA-Elemente (Elemente der technischen Gebäudeausrüstung).
Lukas Priebe endete seinen spannenden Vortrag mit einem Einblick in die Bereitstellung der 3D-Laserscann Vermessung sowie von erstellten Panoramafotos über das Tool NavVis IVION. Hierbei wird lediglich ein Browser benötigt und schon kann von allen im Projekt involvierten Stellen das Gebäude online „begangen“ werden.
Philipp Hauswirth von GEODATIQ erläuterte in seinem Vortrag „BIM-Bestandserfassung eines Gebäudekomplexes“ die 3D-Erfassung und Digitalisierung von Bestandsgebäuden am Beispiel eines ca. 12.000 m² großen Schulkomplexes.
Der Kunde verwaltet, so erläuterte Hauswirth, diverse Schulkomplexe. Dies aber anhand von veralteten analogen Planungsunterlagen und daher entsprechend inneffizient. Mit Hilfe eines aktuellen BIM-Modells konnte hierfür aber Abhilfe geschaffen werden. Zum einen konnte so eine digitale Grundlage für Planung und Sanierung geschaffen werden. Kombiniert mit einer digitalen, zentralen Ablage der Bestandsdaten des Gebäudes, konnte auch die Grundalge für einen effizienteren Gebäudeinformationsaustausch geschaffen werden.
Hauswirth untermalte diese Aspekte mit eindrucksvollem Bildmaterial der 3D-Erfassung, welche mittels terrestrischem Laserscanning auf ca. 1.200 Standpunkten durchgeführt wurde. Das Scannetz wurde durch rund 120 tachymetrisch bestimmte Passpunkte gestützt. Im Ergebnis steht eine 3D-Punktwolke des gesamten Gebäudekomplexes. Mit Aufnahme der Passpunkte, Messungen auf den Standpunkten und anschließender Registrierung waren hierfür 10 Arbeitstage notwendig.
Die 3D-Punktwolken wurden zudem in unterschiedliche Dateien – pro Gebäudeteil eine – aufgeteilt und in einer Masterdatei gebündelt.
Anhand dieser Daten, so schloss Philipp Hauswirth, konnte ein geometrisch belastbares BIM-Modell bereitgestellt werden, welches durch die Darstellung von Materialitäten und Brandschutzelementen eine ideale Grundlage für das Verwalten des Gebäudekomplexes bietet. Abgerundet wird dies durch zentrale Bereitstellung der Daten.
Den Abschluss der Fachvorträge bildete Beatrice Messmer vom Vermessungsbüro Dipl.-Ing. E. Messmer mit „Geodätische Innovationen durch BIM: Potentiale für die Branche nutzen“, welcher sich intensiv mit der Schnittstelle zwischen Geodäsie und Building Information Modeling (BIM) befasste.
Zu Beginn thematisierte Messmer die "Heutigen Herausforderungen in der Geodäsie". Hierbei standen der Fachkräftemangel, der hohe Automatisierungsgrad (exogen und endogen), KI und das Image im Vordergrund.
Im zweiten Teil des Vortrags wurden die "Chancen durch Innovation" beleuchtet. Besondere Aufmerksamkeit galt den Fortschritten in der Softwareentwicklung und der Automatisierung, die es ermöglichen, geodätische Aufgaben und das Berufsbild neu zu denken.
Der dritte Punkt konzentrierte sich auf "BIM" (Building Information Modeling), wobei die Vorteile dieser Methode für die Bauplanung und -ausführung hervorgehoben wurden, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung und Koordinierung von geodätischen Daten.
Anschließend wurde die Verbindung zwischen "BIM und Geodäsie" erörtert. Der Fokus lag auf der essenziellen Rolle, die geodätische Vermessungen für die Erstellung qualitativ zuverlässiger BIM-Modelle spielen, und wie auch in weiteren BIM Anwendungen durch Geodäten umgesetzt werden können.
Im abschließenden Fazit betonte Beatrice Messmer, dass die gesamte Branche nun viele neue Chancen durch Innovation habe. Diese gelte es nun zu nutzen und vor allem im Bildungsbereich auch anzugehen.
Zum Ende der Fachtagung dankte Markus Muhler den Referentinnen und Referenten für die spannenden und faszinierenden Einblicke der einzelnen Vorträge. Anhand dieser – so die Verknüpfung zu Beginn der Fachtagung – ist klar ersichtlich, welche wichtige und entscheidende Rolle die Geodäsie in unserer Gesellschaft spielt.
Bilder: © DVW BW