2 Fachvorträge im LGL Stuttgart

2 Fachvorträge ganz unterschiedlicher Themen hörten die Teilnehmer der Bezirksgruppenveranstaltung am 27.11.2018. Herr Prägitzer berichtete über die Transformation des amtlichen Koordinatensystems von Gauß-Krüger nach UTM und Herr Müller referierte über die Nachhaltigkeit in der Baulandentwicklung. Bericht

Bezirksgruppen Rems-Fils und Stuttgart - Vorträge zur UTM-Umstellung und zu nachhaltiger Baulandentwicklung
(27.11.2018)

Zwei Dutzend Interessierte kamen am 27. November 2018 in das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) zu Vorträgen ganz unterschiedlicher Themenbereiche. Christian Prägitzer gab einen Abriss über die Arbeiten zur Einführung des neuen ETRS89/UTM-Koordinatensystems und Fabian Müller berichtete über seine Masterarbeit zum Thema „Nachhaltigkeit in der Baulandentwicklung“.

Christian Prägitzer hatte bei seinem Vortrag ein Heimspiel, denn er übt derzeit im LGL die Funktion eines Fachreferenten für das Liegenschaftskataster aus und ist Ansprechpartner für die unteren Vermessungsbehörden und die ÖbVI im Regierungsbezirk Tübingen. Davor, von Januar 2015 bis Mai 2018, war Christian Prägitzer ganz maßgeblich an der Erstellung des Konzepts zur Überführung des Landeskoordinatensystems vom Gauß-Krüger-Meridianstreifensystem (= GK) in das ETRS89/UTM-Koordinatensystem beteiligt. Er führte die Geschäfte der speziell dazu eingerichteten Projektgruppe und leitete zudem die Teilprojektgruppe zur Überführung der ALKIS-Daten. Die Arbeiten waren umfassend: Sie reichten von der zeitlichen Planung über die Erstellung von vermessungstechnischen Vorgaben für die unteren Vermessungsbehörden bis hin zur Auswahl des mathematischen Ansatzes der alles entscheidenden Transformation.

Das vom „Vorbereitungsausschuss ERTS89/UTM“ erstellte Grobkonzept gab eine ganze Reihe von Zielsetzungen vor. Eines der Ziele stellte Christian Prägitzer besonders heraus: „Ganz wichtig war, dass Netzspannungen im GK-System durch die Messung einer erforderlichen Zahl von Passpunkten nahezu beseitigt wurden. Dadurch können jetzt mit einem GNSS-Empfänger in Verbindung mit dem SAPOS®-Korrekturdatendienst direkt UTM-Koordinaten erzeugt werden, ohne dass eine Einpassung in die Nachbarschaft erforderlich ist“.

Der Zeitpunkt der formellen Überführung des Liegenschaftskatasters nach ETRS89/UTM wurde vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) auf den 1. Januar 2018 festgelegt. Die technische Umstellung durch das LGL erfolgte zum 22. Januar 2018. Städte mit eigener Datenhaltung erhielten eine Frist zur Überführung des Liegenschaftskatasterdaten bis 30. Juni 2018. Eine Rücktransformation von ETRS89/UTM nach GK zur Durchführung von Liegenschaftsvermessungen ist nicht zulässig.

Den größten Aufwand zur Vorbereitung der Umstellung nach ETRS89/UTM hatten die unteren Vermessungsbehörden zu leisten. Für jede Gemarkung war eine Diagnoseausgleichung durchzuführen und eine „Vollzugserklärung“ abzugeben. Sie galt als Bestätigung, dass eine ausreichende Anzahl von Passpunkten für eine möglichst spannungsfreie Transformation gemessen wurde. Lediglich in 11 der ca. 1100 Gemarkungen in ganz Baden-Württemberg fehlte diese Vollzugserklärung und die nach ETRS89/UTM überführten Koordinaten konnten dort lediglich Lagestatus „G“ erhalten. Die betroffenen Gemarkungen werden jedoch noch nachbearbeitet, damit sie ebenfalls den besten Lagestatus erhalten. Mitte Dezember 2018 fehlen noch drei Vollzugserklärungen.

Mit der eigentlichen Überführung im Januar 2018 waren jedoch noch nicht alle Arbeiten abgeschlossen. Es wurde eine Qualitätssicherung durchgeführt und es mussten Lösungen gefunden werden, wie mit kleinen unvermeidbaren Problemen nach der Transformation umgegangen wird und welche Nacharbeiten sich daraus ergeben.

Die tatsächlich gemessenen Passpunkte wurden mittels des Transformationsgitters testweise transformiert. Dabei wurden einzelne Passpunkte als „auffällig“ identifiziert, so dass dort gezielt Nacharbeiten erforderlich wurden. Die betroffenen Passpunktkoordinaten müssen überprüft und ggf. erkannte verbliebene lokale Restspannungen durch kleinräumige Nachtransformationen beseitigt werden. Differenzen können auch bei den Versicherungsmaßen von Passpunkten auftreten, da die Koordinaten der Passpunkte direkt gemessen, die Koordinaten der Versicherungspunkte aber transformiert wurden.

Die allseits bekannte Abbildungsverzerrung (= Abbildungsmaßstab) von 0,9996 (≙ 4 cm auf 100 m) ist in der Realität in Baden-Württemberg nur an ganz wenigen Orten zutreffend, denn sie variiert in Abhängigkeit des Abstandes vom 9°-Mittelmeridian und der Höhe von 0 Metern im System NHN. Auf dem Mittelmeridian selbst kann bei uns der Wert von 0,9996 deshalb gar nicht vorkommen.

Reduktionen in Abhängigkeit von Höhe und Abstand Christian Prägitzer schemenhafte Darstellung

In den vermessungstechnischen Programmen muss die tatsächliche Abbildungsverzerrung berücksichtigt werden. Bei Transformationen, wie z. B. der 5-Parameter-Transformation, macht es Sinn, diese Verzerrung vorab „herauszurechnen“, da eine Beurteilung des Ergebnisses sonst sehr erschwert ist. Die Umsetzung in den entsprechenden Rechenformeln in den Programmen ist keine triviale Aufgabe.


Grobe schematische Darstellung der UTM-Reduktion in Abhängigkeit von Geländehöhe und Abstand vom Mittelmeridian. Zur Ermittlung dieses Abstands ist eine Baden-Württemberg-Karte unterlegt.

Für ausführliche und grundlegende Informationen zum System ETRS89/UTM und insbesondere zur Vorbereitung der Koordinatenumstellung in Baden-Württemberg wird auf den Artikel „ETRS89/UTM - Baden-Württemberg stellt um“ im DVW Mitteilungsheft 1/2017 unseres Landesvereins verwiesen.

Fabian Müller war parallel zu seinem Teilzeitstudium an der HfT Stuttgart bei einem Ingenieurbüro in Sulz und anschließend bei der LBBW Immobilien Kommunalentwicklung mit der Aufstellung von Bebauungsplänen befasst. Seine Masterarbeit zum Thema „Nachhaltigkeit in der Baulandentwicklung“ befasst sich besonders damit, wie das Ziel einer nachhaltigen Energieversorgung von Wohnquartieren durchgehend in den kompletten Planungsprozess mit einbezogen werden kann. Fabian Müller führte aus, dass der Prozess der energetischen Quartiersplanung eine „Plattform verschiedenster Interessen ist, dessen Ergebnis schließlich zu einem Manifest verschiedenster Interessen führt“. „Dabei“, so Fabian Müller, „müssen wir verschiedenste Wege beschreiben, um die Öffentlichkeit zu integrieren, denn Kommunikation ist die Grundlage eines erfolgreichen Projekts. Außerdem müssen wir weg von überwiegend ökonomischen und hin zu nachhaltigen Entscheidungen ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Art.“

Den Prozess der nachhaltigen Baulandentwicklung gliederte Fabian Müller in vier Abschnitte:

  • Am Anfang steht die Entwicklung einer Strategie. Kern ist eine Machbarkeitsprüfung auf deren Grundlage erste nachhaltige Ideen und Ziele sowie mögliche Handlungsfelder festgelegt werden.
  • Anschließend beginnt die eigentliche Planung, in der die städtebauliche Konzeption unter besonderer Berücksichtigung des energetischen Teils erstellt wird.
  • Der komplexeste Teil ist die Sicherung der Planung durch Verträge und die Aufstellung eines Bebauungsplans, nach dessen Rechtskraft Bauherren in die Detailplanung einsteigen können.

Die Sicherung der erarbeiteten Planung im Prozess der nachhaltigen Baulandentwicklung ist komplex.

  • Am Ende des Prozesses steht schließlich die Umsetzung mit Errichtung einer Infrastruktur und der Erschließung als Voraussetzung zum Bauen.

Abschließend stellte Fabian Müller drei „Leuchtturmprojekte“ kurz vor:

  • Auf dem 1,2 ha großen Gebiet einer ehemaligen Strickwarenfabrik in Stuttgart-Bad Cannstatt entstehen über 100 Eigentumswohnungen, ein Mehrgenerationenhaus und ein Pflegeheim. Etwa 45 % der benötigten Heizwärme soll über einen Wärmetauscher über das Abwasser eines nahegelegenen Daimler-Werks erzeugt werden.
  • In Heide in Schleswig-Holstein wird in einem 20 ha großen Stadtteil mit 60 Jahre alten Gebäuden untersucht, wie eine effiziente Strom- und Wärmeversorgung mit möglichst vollständiger Verwertung erneuerbarer Energien - insbesondere überschüssiger Energie aus Windkraft - erreicht werden kann.
  • In Kaiserslautern sollen in die Gebäude einer ehemaligen Nähmaschinenfabrik Forschungs- und Lehreinrichtungen einziehen und mit attraktiven Wohnmöglichkeiten kombiniert werden. Der Fokus liegt hier auf der Bürgerbeteiligung mittels Virtual Reality, um die Planung des Viertels für alle Generationen interessant und anschaulich zu machen.

2018 11 27 BR Rems Fils LGL Referenten

Christian Prägitzer (links) und Fabian Müller während ihrer Vorträge

Kurt Kohler
Bezirksgruppe Stuttgart, Vorsitzender,

Bilder: © DVW Baden-Württemberg e.V.

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